Schicksal des alten Bergmann-Hauses, ehemals Wehrbrückenschänke und ihrer Bewohner

 

Die Gaststätte

 An der alten ehemaligen Chaussee von Bischofswerda nach Steinigtwolmsdorf, neben dem Wesenitzbach, an der Wehrbrücke Nr. 7 steht das alte Dorfgebäude.

Erbaut 1644 (lt. Signatur), soweit im Grundbuch verfolgbar, die Besitzer:

01.01.1844 Christian Gottlieb Bergmann,

18.05.1868 Berta Pauline Bergmann,

09.04.1889 Carl Ehregott Berthold,

25.10.1922 Paul Woldemar Berthold,

letzter Besitzer, ab circa 1960, das Ehepaar Elisabeth und Walter Hultsch. 

 Betrat man von der Hofseite den Flur, so befand sich links die Gaststube, rechts, nach besteigen eines kleinen Treppenpodestes, der ehemalige Raum einer Apotheke (die spätere Weinstube).Das Gasthaus in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts.

Ging man durch die Gaststube, so kam man an den Tresen (Bier – und Getränkeausgabe), dahinter befand sich die Küche der Gaststätte mit einem großen Herd, auf dem man mehrere Gerichte gleichzeitig zubereitet werden konnten. Links davon betrat man eine schmale lange Veranda mit Gästetischen. Durch einen Seitenausgang gelangte man in einen großen, mit Schatten spendenden Bäumen bepflanzten, Garten für die Gäste. Hier fanden auch kleine Feste und Feiern statt.

Ging man durch den Gebäudeflur bis ans Ende, so kam man durch einen kleinen überdachten Gang zu den Stallungen. Im Gang wurde auch gebuttert und die Milch zentrifugiert. Im Flur selbst, führte rechts eine Treppe zum Obergeschoss, welches für Wohnbelange genutzt wurde. Von hier aus war auch ein Rauchfang (kleine Räucherkammer) zugängig, hierin befanden sich etliche Fleisch- und Wurstwaren für die Gastwirtschaft und den Eigenbedarf.

Der Keller des Hauses war in Fels geschlagen und wurde von der Wesenitz umspült, ein ideales Kühlhaus also. Von der Hofseite aus waren noch die Tenne für das Getreide, das Heu- und Strohlager sowie die Remise erreichbar. Das Getreide wurde im Winter in der Tenne mit Dreschflegeln gedroschen. In den Stallungen des Innenhofes standen um 1900: 8 Kühe, 2 Schweine (1 für den Eigenbedarf, 1 zum Verkauf), 2 Pferde, Schafe und Hühner.

 Auf dem Hof befand sich auch ein mit Quellwasser versorgter Brunnen.

 

 Die Bewohner und ihr Leben 

Das Ehepaar Christian Gottlieb Bergmann (geb. 02.03.1801 gest. 12.04.1865) und Johanna Rosina Vetter (geb. 23.03.1795 gest. 28.12.1872) betrieben gemeinsam ab 1824 den von der Herrschaft genehmigten Kramerhandel und die Schankwirtschaft mit Weinausschank und Branntweinausschank aus der herrschaftlichen Brennerei.

Er kümmerte sich vorwiegend um den Handel, sie um die Wirtschaft. In den Jahren 1826 bis 1856 erweiterte er durch Ankauf von Gartenflächen, Feldern und Wiesen, besonders aus dem Wolfischen Besitz, die Anbauflächen für den handel mit Gemüse und Feldfrüchten, sowei als Futtergrundlage für seine Tierhaltung.

1860 ist in seinem Besitz 1 Hekter 896 Ar in Ober- und Niederneukirch. Seine einzige Tochter Johanna Eleonore Bergmann (geb. 11.03.1826 gest. 09.06.1851) stirbt bei der geburt ihrer Tochter. Ihr Grab war direkt ein paar Meter vor der Kirche und wurde von mir bei Besuchen und Neukirch als Bub oft besucht.Pauline Bergmann mit ihren Großeltern Christian und Johanna Bergmann auf einem Foto um 1864

Ihre Tochter Berta Pauline Emilia Bergmann (geb. 22.05.1851 gest. 05.01.1889) wächst bei den Großeltern im Bergmannhaus auf. 

Nach dem Tod ihres Großvaters wird der Besitz ihr im Jahre 1868 überschrieben. Mit 17 Jahren heiratet sie den Schmied und Landwirt Carl Ehregott Berthold (geb. 14.03.1844 gest. 03.12.1939, er ist ein Bruder der Wirtin der Germania Wirtin Amalie Auguste Ernestine Richter, geb. Berthold). Sie betreibt die Schankwirtschaft, er die Landwirtschaft. Aus der Ehe gehen folgende Kinder hervor:

-         Martha Maria Berthold (1869 – 1954),

-         Ida Magdalene Berthold (1872 – 1955),

-         Anna Mathilde Berthold (1875 – 1981),

-         Flora Theresa Berthold (1877 – 1920),

-         Paul Woldemar Berthold (1879 – 1875)

-         Max Ludwig Berthold (1881 – 1963),

-         Martin Richard Berthold (1885 – 1965),

-         1883 Totgeburt ein Mädchen,

-         Alfred Gustav Berthold (1887 – 1975).

Am 05.01.1889 stirbt die Mutter bei der Geburt eines weiteren Kindes, sie werden gemeinsam in einem Sarg begraben. Zurück bleiben aber 6 Kinder unter 14 Jahren, d.h. zwischen 2 und 13 Jahren und wollen versorgt sein. Martha ist in Chemnitz  und heiratet dort, Ida ist bei Mühlberg in Stellung und heiratet später auch.

Vater Carl Ehregott Berthold bleibt nichts anderes übrig als mit Leonora Pietsch eine  Wirtschafterin für die Kinder und die Wirtschaft zu engagieren. Meine Großmutter Anna Mathilde mit ihren 13 Jahren muss, als nun älteste im Hause, bei der Wartung der Kinder und auch sonst tüchtig zupacken. Später auch bei Ihren Großeltern, bei dem Schmiede- und Färbemeister Christian Ehregott Berthold und ist oft mit dem Schiebock mit Stoffballen zwischen Bischofswerda und Löbau gependelt.

Carl Berthold und Leonora Pietsch im Kreise der Kinder um 1898

Als alle flügge waren, wollte keiner im Dorfe bleiben. Paul lernte Tischler und ging auf Wanderschaft. Max lernte Schneider und ging nach Hamburg. Dort heiratete er und holte Bruder Martin nach. Sie betrieben ein kleines Landwarenhaus mit Schneiderei. Anna Mathilde ging nach Dresden ins Hotelgewerbe und wurde Kaltmamsell. Hier lernte sie ihren Mann kennen, heiratete ihn und blieb.

Durch sie kam auch Alfred nach Dresden. Er lernte Modelltischler, heiratete und ging als Juniorchef nach Dänemark. Später übernahm er dort den Betrieb.

Aus der Beziehung Carl Berthold – Leonora Pietsch ging noch die Tochter Minna Maria Berthold hervor. Leonora Pietsch starb 1917. Carl Berthold mit seinem Bruder. Zum Vergößern anklicken.

 Paul Berthold kehrte wieder nach Neukirch zurück und kaufte am 25.10.1922 von seinem Vater das Grundstück, nahm einen Kredit auf und zahlte die Geschwister aus.

Mit seiner Ehefrau Meta Pakosnik (1894 – 1964), einer gelernten Köchin, betrieb er die Wirtschaft weiter.

Die Wehrbrückenschänke war eine gern besuchte Gaststätte und Gartenlokal, was an der Chaussee viele Fahrende zur Rast verlockte. Die Unterhaltung der Gäste erfolgte mit Musik durch das Abspielen von Musikwalzen. Moderne Musikgeräte wie z.B. Radio kamen erst nach 1930 auf. Zur weiteren Unterhaltung baute Paul in den Jahren 1927/28 noch eine Asphaltkegelbahn. Nach dem Neubau der Hauptstrasse wurde die Chaussee zur Nebenstrasse, was zu einem Rückgang der Gästezahlen führte. Die Durchreisenden fielen weg, es kamen meist nur noch die Stammgäste.

Als Bub war ich oft in den Ferien hier und habe auf dem Lämmerhügel bei der Heuernte geholfen oder hinter dem Haus unter dem Baum Bücher gelesen. Einmal im Jahr bin ich mit Onkel Paul auf Freundschaftstour gegangen, d.h. die Gastwirte aus der näheren und weiteren Umgebung haben sich gegenseitig besucht (war aber keine Sauftour). Urgroßvater Carl hat oft nach der Feldarbeit bis nachts um 2 Uhr mit den Gästen Skat gedroschen. Er hat mit Tochter Minna noch mit 90 Jahren die Landwirtschaft betrieben oder mit Minna und Paul im Winter mit Dreschflegeln das Getreide gedroschen. Beim Pflügen ist er mit 90 Jahren oft gefallen, jedoch immer wieder aufgestanden. Einmal hat er ein steifes Knie davon getragen und musste das Bett hüten. Nachdem noch eine Lungenentzündung dazu kam starb er am 03.12.1939.Das Haus 1997.

 Heute ist das Gebäude baupolizeilich gesperrt und sieht wohl seinem Abriss entgegen.

 Diese Aufzeichnung erfolgte aufgrund vorliegender Dokumente und eigenem Erleben durch den  Urenkel des Carl Ehregott Berthold.

 

Rudolf Petzold, August 2002

 

Ergänzung von Marcel Richter, März 2005:

Das Gebäude wurde im Jahre 2004 abgerissen.